Das Ende des Säuferkrieges beim Ahringsmüller - Mai 1650
Eines Abends im Mai 1650, als sich die Westhänge herab schon lange Schatten ins Ahringstal senkten, unterbrach bedrohlicher Lärm die Stille drunten im Wiesengrund. Pferdegetrappel und Räderknarren, vermischt mit rauem Stimmengezänk, langsam und stetig näherkommend, drang von Enkirch her ins einsame Waldversteck hinein.
Den Ahringsmüller packte die blanke Angst. War es nun doch soweit gekommen, wie er seit drei Kriegsjahrzehnten befürchtete? Hatte die Soldateska jetzt auch seinen weltentlegenen Schlupfwinkel ausfindig gemacht? Gab`s denn anderswo nicht mehr genug zu rauben?
Trotz aller Aufregung besann der Müller sich dann aber rasch auf die für solch ein Notfall getroffenen Vorkehrungen: Mit seiner Frau, den Kindern und dem alten Knecht schaffte er es binnen weniger Minuten, die Kuh, die Ziegen und Schafe, den Gaul und den Esel ein paar Talwindungen weiter in eine von Geißblatt zugewucherte Seitenschlucht zu treiben.
Während das Söldnergesindel wohl alsbald im Mühlenhof sich die Hühner in den Schlund und die Mastsau an den Bratspieß stecken würde, hofften die Verängstigten im Schutz der Schieferfelsen zumindest das nackte Leben zu retten. Freilich mussten sie damit rechnen, in Kürze den Roten Hahn auf ihren Gehöftdächern fackeln zu sehen.
Doch weder zur Nacht noch im Morgengrauen regte sich das erwartete Unheil. Sorge und Neugier besiegten schließlich die Angst. Schlotternd kroch der Müller durchs Gebüsch ans Wehr hinunter und erhielt von dort aus einen halbwegs beruhigenden Überblick: Zwar lagerte ein ziemlich zerlumpter Haufen am Haus, aber nach Truppe oder Räuberpack sah die Gesellschaft eigentlich kaum aus.
Er fasste sich ein Herz, und mit gespielter Forschheit ging er drauflos: „Ei sapperlot! Was habet Ihr eweil im Ahringstal zu suchen?“ Ein Behäbiger mit Lederwams und Geldkatze, anscheinend ein Handelsmann, dem die Bagage gehörte, stand auf und gab durchaus freundlich zur Antwort, man habe den Weg ins Gebirge etwas verfehlt und hier nur behelfsweise zur Nacht gerastet. Ob um ein paar Groschen vielleicht Hafer fürs Kutschvieh zu haben sei?
Der Müller, nun sofort mit Oberwasser, meckerte zum Anschein und brummelte etwas von Kriegsgesocks und Beutelschneidern. Drauf der Krämer: „Sakrament! Hat er womöglich, wackerer Herr Mahlmeister, denn vom westfälischen Akkord noch nix vernommen?“
So kam es, dass der Ahringsmüller erst anderthalb Jahre nach dem Friedensschluss in Münster vom Ende des Dreißigjährigen Kriegs erfuhr. Und weiß der Kuckuck, wie vielen seiner Zeit– und Zunftgenossen in den verborgenen Seitentälern der Mosel und den Hunsrückwäldern es damals ganz ähnlich ergangen sein mag........
Quelle:
"Sagenhafter Hunsrück“
Ein Buch der Geschichte, Geschichten und Geheimnisse zwischen Mosel, Nahe, Saar und Rhein -
von Uwe Anhäuser; geb. 1943 im Westerwald, lebt als Schriftsteller und Journalist im Hunsrückdorf Bundenbach.
RHEIN-MOSEL-VERLAG, Bad Bertricher Str. 12, 56859 Alf/Mosel, Tel.: 06542/5151, Fax: 06542/61158
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